In Griechenland verbringen wir drei entspannte Wochen. Die Urlaubssaison ist Ende September schon vorbei und wir haben viele Strände komplett für uns allein. Die Stellplatzsuche gestaltet sich somit also unproblematisch. Einfach an einen leeren Strand fahren, Kind und Hund auspacken und wenn möglich noch Holz für ein Lagerfeuer sammeln. Die Temperaturen sind mittlerweile auf erträgliche 25°C gesunken, so dass das Fahren nun allen wieder Spaß macht. Wir haben die Zeit genutzt um anstatt zu Reisen, zwischendurch auch mal Urlaub zu machen! Wie bitte? Ja, denn Reisen und Urlaub unterscheiden sich im Stressfaktor erheblich. ;)
Auf Chalkidiki kommen uns Lindas Schwester und ihre Tochter für eine Woche besuchen. Erleichtert stelle ich fest, dass der LKW auch zu fünft plus Hund noch allen genügend Platz bietet. Auch wenn Schrumpel nun „seine“ Rückbank mit den beiden Besuchern teilen muss.
Je weiter wir nach Osten fahren, desto häufiger sehen wir kleine Gruppen von Fußgängern am Rande der Autobahn Richtung Westen laufen. Die Flüchtlingsrouten über den Balkan scheinen immer noch aktuell zu sein.
Kurz hinter Alexandropolis überqueren wir dann die Grenze in die Türkei. Dies ist der erste Grenzübergang an dem uns auffällt, dass sich schwerbewaffnete Soldaten in kurzer Distanz gegenüber stehen. Hier merkt man, dass der Grenzverlauf erst kürzlich von den Türken in Frage gestellt worden ist.
Die Grenzkontrollen selbst sind wieder sehr entspannt. Wir fahren an den LKW Schlangen vorbei, wedeln mit unserem Pappschild auf dem groß „Tourist“ steht und fahren auf die PKW Spur. Dann Pässe stempeln, das Auto im Pass registrieren, ein kurzer Blick in den Aufbau, einmal den Kleiderschrank öffnen, und das war es auch schon mit der Kontrolle. Die türkischen PKW vor uns hingegen werden komplett durchsucht und alle Gepäckstücke geöffnet.
Als wir schon mit Zoll und Einreise durch waren, kommt dann die X-Ray Station für LKW. Hier geht nichts weiter, die Schlange der Autos und Laster wird immer länger. Wir sehen viele Beamte heftig miteinander diskutieren, als plötzlich einer zu uns herüber zeigt und dann schnellen Schrittes angerannt kommt. Mist, denke ich. Jetzt nehmen die uns bestimmt doch noch auseinander.
Dem Beamten ist jedoch nur unsere Seilwinde vorne am LKW aufgefallen. Wir sollen sofort aus der Schlange rausfahren und über den Grünstreifen um die Grenzanlage herum. Es stellt sich heraus, dass dort ein Sattelzug mitten in der Ausfahrt der Grenzanlage liegengeblieben ist und alles versperrt. Somit packen wir unser neues Bergeseil aus und ziehen den 20 Tonner aus dem Weg.
Einen Tag später erreichen wir Istanbul. Die Ausmaße der Stadt sind einfach gigantisch und der Verkehr ist eine Katastrophe. Selbst die permanent verstopften Hauptstraßen sind mit dem Laster eine Herausforderung. Ständig schlängeln sich Motorradfahrer rechts und links im toten Winkel am LKW vorbei. Gleich nehme ich einen davon mit, denke ich andauernd. Weiteres Zittern bringt eine im Navi angezeigte 3,6m Höhenbegrenzung. Am Vortag habe ich extra noch einmal nachgemessen wie hoch wir denn nun mit voller Beladung auf der Federung wirklich sind. Dreimeterachtundfünfzig war das erschreckende Resultat. Ob die mit 3,6m wirklich 3,6m meinen? Glücklicherweise kann ich die niedrige Brücke über eine Parkanlage umfahren und wir kommen sicher und ohne Dellen im Dach an unseren Stellplatz in Istanbul.
In Istanbul machen wir das Touristenprogramm: Hagia Sophia, Blaue Moschee, Bazaar und lange Spaziergänge durch die engen Gassen der Stadt. Leider bekommt mir das Essen nicht so gut und wir beschließen lieber ein paar Tage länger in der Stadt zu bleiben.
Anstatt wie bisher nur Landstraße zu fahren, kaufen wir uns in Istanbul am Postschalter eine sehr günstige Vignette und fahren die Autobahn Richtung Ankara. Man sieht dadurch zwar weniger von der Landschaft, aber kann dafür entspannt Strecke machen.
In Ankara bleiben ein paar Tage und bekommen unser Carnet de Passage zugeschickt und besorgen die Visa für den Iran.
In Kappadokien machen wir einen weiteren längeren Stopp und verbringen 4 Tage damit die einzigartigen Steinformationen, die unterirdischen Städte, sowie die zahlreichen Ballons am Himmel zu bestaunen. Hier treffen wir auch andere Reisende, die unsere Route aus der anderen Richtung gekommen sind und löchern Sie mit Fragen zum Iran, Turkmenistan, der Mongolei, etc…
Dann geht es auf direktem Wege weiter Richtung iranischer Grenze. In drei Tagen schaffen wir die ca. 1000km nach Dogubayazit. Trotz des zügigen Tempos zieht uns die Landschaft komplett in Ihren Bann. Hohe schneebedeckte Berge, ausgewaschene Felsformationen und kleine Flüsse lassen uns immer wieder staunen.
Auf dem Weg legen wir noch einen kurzen Werkstattstopp ein und lassen eine Dichtung an der Bremsanlage tauschen. Wo wir schon da sind, machen wir gleich noch einen Ölwechsel und spendieren neuen Kühlerfrostschutz. Die Pässe auf der Strecke liegen öfters auf über 2000m und es kann dort doch schon kalt werden.
Die Strecke ist gespickt von Polizei und Militärcheckpunkten. Überall steht schweres militärisches Gerät herum: Große Radpanzer, Truppentransporter, und kleine Panzerwagen. An den Kontrollstellen verbarrikadieren sich die Polizisten mit Maschinengewehren hinter großen Sandsackhaufen und schweren Betonwänden. Die Lage auf dem Weg in Richtung der kurdischen Provinzen ist deutlich angespannt. Auch Dogubayazit erinnert weniger an eine mittlere Kleinstadt mit 80tsd Einwohnern, als vielmehr an eine große Militärbasis. Überall ist Stacheldraht, alle Wohnsiedlungen sind abgeriegelt und das Militär ständig präsent. Auf unserem Campingplatz etwas außerhalb der Stadt hören wir abends die Militärhelikopter Manöver fliegen.
Wir lassen uns davon nicht ablenken und schauen uns den komplett restaurierten Isak Pasa Palast an. Auch machen wir den Wagen bereit für den Grenzübertritt und durchkämmen Kühlschrank und Stauraum. Die Einfuhr von Alkohol, sowie Schweinefleischprodukten in den Iran ist strengstens verboten. Ob da wohl auch die Schinkenknochen für Schrumpel mit gemeint sind?
Am nächsten Tag fahren wir zur iranischen Grenze. Bereits 5km vor der Grenzanlage warten ca. 1000 LKWs auf einer gigantischen Rastanlage. Dann folgt eine kilometerlange LKW Schlange vor der eigentlichen Grenze. Wir holen wieder unser Pappschild heraus und fahren nett lächelnd an den Trucks vorbei.
An der Grenzanlage sind die Tore zu. Alles ist von LKWs verstopft nichts bewegt sich. Wir rätseln etwas wo man denn nun lang soll, als ein paar wartende Männer signalisieren wir sollen doch einfach das Tor für den ankommenden Verkehr nehmen und durch die Ausfahrt reinfahren. Also mogeln wir uns über die Mittelbegrenzung irgendwie zwischen den unzähligen LKWs innerhalb der Grenzanlage durch und fahren auf die komplett leere PKW Spur. Dabei vergessen wir natürlich die beiden wichtigsten Dinge nicht. Lächeln und das „Tourist“-Pappschild!
Die Ausreise aus der Türkei dauert lange. Nach dem Pässestempeln kommt der Zoll auf die Idee, das Fahrzeug müsse unbedingt noch geröntgt werden. Warum kann uns keiner sagen, muss aber sein. Wir fahren also Kilometer weit wieder zurück um zur Röntgenstation auf der LKW Spur zu kommen. Nun müssen wir an weiteren hunderten wartender Trucks vorbei. Vor der Röntgenstation reihen wir uns in zweiter Reihe direkt als nächster ein.
Trotz dieses Manövers hat kein einziger Trucker eine Miene verzogen oder sich beschwert. Es muss ihnen wohl klar gewesen sein, dass wir mit dem kleinen Baby an Board unmöglich zwei Wochen in der Schlange hätten stehen können. In Deutschland wäre das bestimmt anders gewesen.
Als wir ankommen hat das Personal der Röntgenstation gerade Mittagspause und für die nächste Stunde passiert nichts. Genügend Zeit also den wartenden Truckern mit Händen und Füßen zu erklären, wo wir herkommen, wo wir hinwollen, dass wir tatsächlich in dem Laster wohnen und es drinnen auch ein Bett und eine Dusche gibt.
Nach dem Röntgen fahren wir den Weg wieder zurück um wieder zu PKW Spur zu kommen. Obwohl die Grenze riesig und total chaotisch ist, kennen wir uns mittlerweile gut aus. Leider haben jetzt die Beamten auf der iranischen Seite Mittagspause und das Tor bleibt zu.
Die iranische Abwicklung ist dann einfacher. Ein englisch sprechender Mann kommt auf uns zu, nimmt die Pässe und geht mit uns an der Schlange wartender Fußgänger vorbei zum Einreiseschalter. Er führt uns durch vier völlig zufällig angeordnete Stationen in Seitengängen und besorgt uns Stempel und Unterschriften für das Carnet und den Zoll. Irgendwie ist Johanns Pass nicht im System und wir müssen noch mal in ein anderes Büro zu einem Vorgesetzten. Ein paar Telefonate später hat dann auch der Kleine den Einreisestempel im Pass.
Erst als wir mit allem durch sind stellt sich heraus, dass der Mann gar kein Grenzbeamter ist, sondern wir doch jetzt bei ihm Geldwechseln sollen um ihn für seine Dienste zu entschädigen. Na toll. Aber da heute Freitag ist, und an Freitagen im islamischen Iran keine Wechselstuben geöffnet haben, denke ich es wäre besser ein paar Rial zu haben und tausche 100€ gegen 10 Millionen Rial. Der offizielle Bankkurs wären nur 4,8 Mio. gewesen. Eigentlich nicht schlecht denke ich mir. Später in Täbris stelle ich fest, dass der Schwarzmarktkurs bei 15,5 Mio. gelegen hätte. Aber den Feiertagszuschlag musste ich dem armen Mann ja zugestehen.
Nach der Einreisestation übernimmt ein weiterer „Nicht-Grenzbeamter“ unser Carnet de Passage und kümmert sich um die Zollabwicklung. Er diskutiert kurz mit dem Beamten an der Schranke und dieser winkt uns dann ohne Kontrolle durch. Natürlich muss auch dieser Service bezahlt werden. Natürlich nicht mit den grade eingetauschten Rials, sondern mit stabilen Euros. Die Diskussionen über die Schinkenknochen für den Hund hätten wir uns also sparen können.